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Literatur > Sinn und Person


von Otmar Wiesmeyr, Alexander Batthyany
Broschiert
Ausgabe: 1., Aufl.
Verlag: Beltz
Erscheinungsjahr: 2006
ISBN: 3407221797
   (2 Bewertungen von Expert*innen)   2 Kommentare


Kommentare und Bewertungen zu diesem Buch


Dieses Buch ist die Quintessenz des in Wien aus Anlass des 100. Geburtstags des Wiener Psychiaters und Psychotherapeuten Viktor FRANKLs abgehaltenes Kongresses Der Wille zum Sinn. Grundlegend ist als Rezensent zu solchen Versuchen zu sagen, dass es für Herausgeber schwierig ist, aus der Menge von Referaten und Tagungsbeiträgen einen repräsentativen und qualitativen Überblick über gegenwärtige Arbeitsbereiche der Existenzanalyse und Logotherapie anzubieten. In diesem Falle kann kann das Ansinnen von BATTHYANY und WIESMEYR als gelungen bezeichnet werden. In der Einleitung zeichnet BATTHYANY die Entwicklung der Existenzanalyse und Logotherapie FRANKLs vor seinem persönlichen biographischen Hintergrund.
Im Bereich der philosophisch- anthropologischen Grundlagen und Perspektiven der Logotherapie und Existenzanalyse finden wir einen spannenden Artikel des finnischen Alttestamentlers NURMELA, der sich mit den Auswirkungen von FRANKLs jüdischem Gottesbild auf seine Psychotherapierichtung bschäftigt. ZSOK versucht anhand eines Falles aus dem Bereich der Wirtschaftkriminalität im Sinne der menschlichen Wahlfreiheit über die existentielle Verfügbarkeit von Gut und Böse einzugehen.
Im Bereich der angewandeten Logotherapie und Existenzanalyse finden wir fachliche Erwägungen von WIESMEYR. Er beschäftigt sich mit dem geistigen Entwicklungsprozess von Psychotherapie- Kandidaten im Verlaufe ihrer Lehrtherapien. GLASL bringt eine völlig andere Facette in die Abhandlung ein. Ihm geht es um die Bedeutung eines sinnzentierten Menschenbildes in Mediation und Konfliktmanagement. Anhand eines praktischen Beispiels aus einer Non- Profit- Organisation wird die Anwendbarkeit sinn- zentrierter Mediation demonstriert. HAMMER und WIESMEYR versuchen darzulegen, inwiefern der Ansatz der Psychomotorik (J. KIPHARDT) Anknüpfungspunkte zum FRANKLschen Denken hat. In einer inhaltlich konzisen Art wird dargestellt, dass die Begegnung mit Werten als Sinn- Universalien über Sinnlichkeit, vor allem über Körpererfahrung erfolgen kann und soll. Damit wird auch gezeigt, dass Logotherapie und Existenzanalyse nicht einfach eine Art kognitiver Gesprächstherapie ist, sondern ein ganzheitliches Verfahren, in das auch körperorienentierte Ansätze einbezogen werden können. Im Bereich der narrative therapy beschäftigt sich die bekannte Innsbrucker Logotherapeutin ILSINGER/VONWALD mit der Bedeutung des gezielten Einsatzes von Geschichten im psychotherapeutischen Prozess. Otto TEISCHEL, ein Psychotherapeut und Philosoph aus Klagenfurt versucht wiederum, Filme für psychotherapeutische Problemstellungen fruchtbar zu machen. AMANN stellt einen ganzheitlichen Weg zur Behandlung suchtkranker Menschen dar, wobei viel Kritisches zur sogenannten Substitutionstherapie zu finden ist.
In den speziellen Anwendungsbereichen ist vor allem der Artikel von RAMOVS hervorzuheben, der ein Konzept für intergenerationales Zusammenleben unter besonderer Berücksichtigung des Alterns in Würde vorstellt. Was hier im Kleinstaat Slowenien auf ehrenamtlicher Basis geschaffen wurde, verdient Bewunderung!
Im Kapitel Die Logotherapie im Dialog mit ihren Nachbardisziplinen ist zum Einen der Artikel von Lüder DEEKE zu erwähnen. Er gilt als einer der Entdecker des sogenannten Aktionspotenzials, das sich später LIBET in der Diskussion um den freien Willen zunutze machen sollte. Anhand mehrer neuerer Untersuchungssettings zeigt DEEKE, dass es nicht nur bottom up- Prozesse im Sinne einer Fehlinterpretation LIBETS, sonder auch zahlreiche top- down- Prozesse im Sinne eines Vetorechts der höheren kognitiven Funktionen des Frontalhirns, in denen der Wille angesiedelt ist, gibt. Julius KUHL, ein Experimentalpsychologe, stellt aktuelle Studien über die Bedeutung der Integration von Gefühlen in das Selbst dar.
Im dritten Teil ist es vor allem erfrischend, lesen zu können, dass sich die Autoren nicht scheuen, methodisch und wissenschaftlich fundiert die Klingen mit ihren weltanschaulichen Kontrahenten auf eine noble und korrekte Art zu kreuzen.

FAZIT: Neulinge, die noch nichts über Existenzanalyse und Logotherapie wissen, werden durch die Fachartikel von BATTHYANY, ZSOK und durch das Interview mit Elisabeth LUKAS, der bekanntesten FRANKL- Schülerin gut in die Thematik eingeführt. Alte Hasen können sich bei KUHL und DEECKE über neuste experimentalpsychologische settings informieren. Ein Buch, das zur selektiven Lektüre einlädt, ein Buch für Jedermann, der sich für Psychotherapie, insbesondere für Logotherapie und Existenzanalyse interessiert!
Dr. Martin Vogelhuber


Wer heutzutage Tagungsbände über wissenschaftliche Kongresse herausgibt steht im Zugzwang, die Spreu vom Weizen zun trennen und ein Thema in seiner ganzen BAndbreite stringent abzuhandeln. Im Falle der Logotherapie und Existenzanalyse, der dritten Wiener Schule der PSychotherapie (W. SOUCEK) ging es den Herausgebern darum, die ganze wissenschaftliche BAndbreite dieser Psychotherapierichtung in diesem Tagungsband zu integrieren.

BATTHYANY versucht zu Anfang die Geschichte der Existenzanalyse und Logotherapie FRANKLs verflochten mit seiner Biographie lebendig zu zeichnen.

Den Beginn des Bandes markieren die philosophisch- anthropologischen Grundlagen und Perspektiven der Existenzanalyse und Logotherapie, weil jede Therapie oder Erziehungslehre von ihrem Menschenbild her lebt. Unter anderem macht sich ZSOK Gedanken über die Wahlfreiheit zwischen Gut und Böse, während Risto NURMELA, ein finnnischer Alttestamentler, FRANKLs jüdische Wurzeln als Hintergrund für sein Menschenbild betrachtet.
Im Bereich der praktischen Anwendungen wird die große Bandbreite der Anwendungsbereiche des FRANKLschen Gedankengutes seutlich. WIESMEYR berichtet von Selbsterfahrungskonzepten für angehende Psychotherapeuten, GLASL geht aus dem Kontext des Konfliktmanagements auf Mediation im Wirtschaftskontext aus sinnzentrierter Perspektive ein, während HAMMER sich Gedanken über einen sinnverstehenden Ansatz in der Psychomotorik macht.Auch psychotherapeutische Interventionen werden reichhaltig behandelt. ILSINGER setzt sich mit der Bedeutung von Geschichten in der narrativen Logotherapie auseinander, während TEISCHEL Filme als Therapeutikum für spezifische Situationen und Problemstellungen einsetzt. AMANN stellt ein multifaktorielles Konzept für die Behandlung von Suchtkrankheiten vor dem Hintegrrund eines realen Drogenbehandlungsprojekts dar. In den speziellen Anwendungsbereichen der Logotherapie stechen besonders die Beiträge von OCHSMANN, der sich um eine Thanatotherapie, um sinnzentrierte Arbeit mit Sterbenden bemüht und die Abhandlung von RAMOVS hervor, dem die solidarische Betreuung von alten Menschen und deren Eingliederung in Solidarsysteme ein hohes Anliegen ist.
Aus dem Gebeit der experimentellen Psychologie und Neurologie findet sich ein bahnbrechender Artikel von Lüder DEECKE, einem der Erfinder des sogenannten Aktionspotentials. Er erklärt genau die LIBETschen Experimente zum Thema Handlungskontrolle und versucht zu zeigen, dass der Freie Wille im Sinne eines Vetos zur Gestaltung des individuellen Lebens auch für experimentelle Psychologen eine durchaus gängige Grundhypothese darstellt. Julius KUHL, auch Experimentalpsychologe, geht es um die Integration der Gefühle in unsere Ichfunktionen und vor allem in unseren Willen.

FAZIT: Der Tagungsband stellt sowohl Menschenbild als auch die Bandbreite der heutigen Logotherapie und Existenzanalyse dar. Es wird weiters versucht, vor dem Hintergrund der FRANKLschen Anthropologie auf neuere Erkenntnisse der Willens- und Motivationspsychologie empirisch fundiert einzugehen.
Dr. Martin Vogelhuber




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